Wie Instagram-Exzesse zum Mobbing gegen sich selbst werden können

Wie Instagram-Exzesse zum Mobbing gegen sich selbst werden können

Wer sich auf Instagram präsentiert, will ein ganz bestimmtes Bild von sich erzeugen und / oder möglichst viele unterschiedliche Facetten seiner Persönlichkeit zeigen. Beides ist aus psychologischer Sicht unbedenklich, solange diese Inszenierungen einen spielerischen Charakter haben. Problematisch wird es erst, wenn mit dem auf Instagram erzeugten Bild gegen eine schwache Selbstwahrnehmung gekämpft wird: dann werden exzessive Instagram-Inszenierungen zu einer Art Mobbing gegen das als schwach wahrgenommene Selbstbild, das mit einem stärkeren Idealbild auf Instagram systematisch übertüncht wird. Das kann zu einem großen persönlichen Unglück werden.

Das Zukunftsinstitut hat für das Ausleben unterschiedlicher Persönlichkeitsfacetten einen neuen Begriff geprägt: „Nothenticity“ (1) – die Authentizität der Zukunft. Es geht nicht mehr darum, eindimensional „wir selbst“ zu sein, sondern darum, „unsere verschiedenen Identitäten souverän zu managen“, ganz besonders in den sozialen Medien.

Die Anomymität der virtuellen Welt hat die Abkoppelung vom realen, authentischen Alltags-Ich zugunsten einer spielerischen Inszenierung von Traum- und Fake-Identitäten von Anfang an begünstigt. Im schlimmsten Fall ging das einher mit enthemmten Pöbelattacken, im besten Fall ging es um das kreative Ausleben unterschiedlicher Persönlichkeitsfacetten, die im realen sozialen Umfeld nur begrenzte Aussichten auf gesellschaftliche Akzeptanz haben.

Aus psychologischer Sicht ist das Spiel mit verschiedenen Facetten der eigenen Persönlichkeit kein Problem, es ist sogar Teil unserer Kultur: so zeigt bspw. die ganz private Identität andere Ausprägungen als die, die wir im Job produzieren, und der Versuch (insbesondere der New Economy im Silicon Valley), beide miteinander zu einer einzigen Identität zu verschmelzen, hat die meisten überfordert; denn ein mehrdimensionales Selbst entspricht der inneren Wirklichkeit eines Menschen eher als ein geschlossenes Ich: jeder Mensch spielt in seinem Leben seit jeher verschiedene Rollen.

Insofern ist das virtuelle Spiel mit unterschiedlichen Teilaspekten der eigenen Persönlichkeit eher befreiend als gefährlich – wenn es im Kern die eigene Identität hochhält. Jeder entscheidet selbst und immer wieder neu, wann und wo er welche Aspekte dieser Identität preisgibt, aber sie muss im Kern authentisch, also wahr bleiben. Dieses aufrichtige „Identity Management“ ist die Voraussetzung für einen beglückenden Umgang mit der eigenen Vielseitigkeit (2).

Das setzt natürlich voraus, dass man zu dieser eigenen, wahren Identität steht. Wenn aber die eigene Selbstwahrnehmung von persönlichen Schwächen oder Makeln dominiert wird, kann es auf den Social Media-Plattformen mit hochgepimpten Selfies zu einer ungesunden Dauer-Bekämpfung des eigenen, schwachen Egos kommen. Das ist mit Mobbing gegen sich selbst vergleichbar: das stärkere Instagram-Bild, das den schönen Schein befeuert, mobbt das schwächere Selbstbild.


Das größte Problem einer solchen exzessiven Selbstüberhöhung entsteht dann, wenn sie der Einstieg in reale Begegnungen mit den Followern ist, z.B. zwecks Partnersuche: dann ist das Risiko groß, dass die selbst erzeugte Blase bei näherem Kennenlernen früher oder später platzt. Im fatalsten Fall erzeugen solche Bruchlandungen weiteren Druck, das virtuelle Bild von sich selbst noch glänzender zu gestalten, um Defizite und Niederlagen im realen Leben auszublenden.

Das spannende Spiel mit den eigenen multiplen Persönlichkeitsfacetten setzt also voraus, dass es von einem gesunden Selbstbewusstsein geprägt ist. Das bezieht sich auch auf die eigenen Ecken und Kanten, die vielleicht die beste Quelle für kreative Selbstinszenierungen sind. Das bestätigt den Ansatz der meisten Anti-Mobbing-Initiativen: Stärkung des Selbstbewusstsein. Denn wer stark ist, mobbt nicht – weder sich selbst noch andere.


(1) https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/nothenticity-die-authentizitaet-der-zukunft/
(2) http://www.spiegel.de/netzwelt/web/digitalisierung-wir-braeuchten-dringend-mehr-dates-mit-uns-selber-a-1184663.html

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